Unsere kulturelle Verantwortung
15. Dezember 2021
von Michael Müller
Durch Bauten haben sich in der Vergangenheit Generationen sichtbar gemacht und bleibend ausgedrückt. So wie wir heute. Darum haben Bauherren und Immobilienbesitzer eine kulturelle Verantwortung und sollten diese Verantwortung ernst nehmen – gerade in diesen Zeiten.
Praktisch alle Immobilien in der Schweiz haben sich über das letzte Vierteljahrhundert aufgewertet: Weil die Steuerzahler in Infrastruktur, Bildung und Kultur investiert haben. Weil die Schweiz politisch sehr stabil und ein gut ausgebauter Rechtsstaat ist. Und weil die Schweiz klein und der Boden knapp ist. Vor allem Immobilienbesitzer profitierten von diesen hervorragenden Rahmenbedingungen in der Schweiz. Darum haben ihre Liegenschaften stetig an Wert gewonnen, weshalb sie auch an ihre kulturelle Verantwortung erinnert werden dürfen. Einige sind sich dieser Verantwortung bereits sehr bewusst. Davon zeugen zahlreiche herausragende Bau-, Umbau- und Sanierungsprojekte im ganzen Land.
Wer in Qualität investiert, investiert in die Zukunft
Kulturelle Verantwortung heisst für mich: Wir sollten mit Blick auf die nächsten Generationen bauen, umbauen und sanieren. Und wir müssen uns eine hohe Qualität leisten – mit klug konzipierten Häusern, mit gut ausgebildeten Planern und Handwerkern, mit dem Einsatz wertiger Materialien und einer klimaneutralen oder sogar klimapositiven Bauweise. Wenn wir das nicht tun, werden uns schon bald die Unterlassungskosten in Rechnung gestellt werden – von unseren Töchtern, Söhnen und Enkelkindern. Zudem werden wir langfristig nicht mehr die Renditen erzielen, die wir in den letzten Jahren erzielt haben. Sie sehen, es geht mir um beides – um Verantwortung und Verdienst.
Qualität lohnt sich – je länger, desto mehr
Ich bin überzeugt, dass viele private Investoren, Pensionskassen und andere institutionelle Investoren ähnlich denken – je länger, desto mehr. Denn Gebäude, die wirtschaftlich, sozial und ökologisch nicht nachhaltig sind, können in den nächsten Jahrzehnten die Bilanzen wie Betonklötze belasten. Gründe hierfür gibt es viele: das sich ändernde gesellschaftliche Bewusstsein, neue Gesetze und Vorschriften und natürlich weitere Klima- und Wetterextreme. Darum lohnt es sich, kulturelle Verantwortung zu übernehmen und in Qualität zu investieren. Damit die Cashcow von heute nicht die Lame Duck von morgen wird.
Ob wir die Kurve zu einem nachhaltigen, verantwortungsbewussten Bauen kriegen? Das ist zu hoffen, auch aufgrund des gesellschaftlichen Drucks und des Risikos der Unterlassungskosten. Denn die Alternative wäre, dass unsere heute und morgen gebauten Liegenschaften, Quartiere und Stadtteile in weniger als 50 Jahren als nicht erhaltenswerte und unbrauchbare Zeitzeugen beurteilt werden. Damit wären wir vermutlich die erste Generation von Menschen, die keine sichtbaren und bleibenden Bauten und Stadtteile hinterlässt. Wollen wir das? Nein, denke ich. Deshalb sollten wir mit Blick auf die nächsten Generationen bauen, umbauen und sanieren.