So müssen Sie bauen!

So müssen Sie bauen!

„So müssen Sie bauen“ – mit diesem Ausspruch hat mir Urs Ledermann 2011 eine hochwertige Grafik eines Chronografen geschenkt. Also mit einer Bauqualität, die der eines Uhrwerks entspricht. Diesen Qualitätsanspruch habe ich mir zu eigen gemacht. Doch gerade beim Bauen gilt: Anspruch und Wirklichkeit sind oft nicht dasselbe. Und das hat seine Gründe.

Minutenrad, Federhaus, Unruh: Die Illustration, die das Innenleben einer Patek Philippe zeigt, fasziniert mich immer noch. Was mich dabei besonders begeistert, ist nicht nur das Kunstwerk selbst, sondern vor allem das, für was es metaphorisch steht: für höchste Qualität.

Höchste Qualität – die soll natürlich auch bei Immobilien erreicht werden und «mängelfreies Bauen» steht auf der Wunschliste von Bauherren ganz oben. Allerdings gehen Wünsche bekanntlich selten in Erfüllung und das Bauprojekt, das ohne jeden Fehler über die Bühne geht, muss erst noch erfunden werden. Da stellt sich die Frage: Warum ist das so? Und warum kann ein Haus nicht genauso mängelfrei erstellt werden wie eine Patek Philippe?

Warum ein Haus kein Uhrwerk ist
Die Antwort: Chronografen werden anders entwickelt als Immobilien. Denn selbst wenn die zeichnerische Planung ähnlich aussehen mag – bei der handwerklichen Umsetzung gibt es grosse Unterschiede. So werden bei der Entwicklung von Uhren jeweils Prototypen erstellt. Mit dieser Phase stellt die Uhrenbranche sicher, dass jede Uhr die Qualitätsanforderungen erfüllt und mängelfrei funktioniert. Der Bauprozess kennt diese Phase nicht und der Test der planerischen Entwicklung findet immer im echten Leben statt – beim Baggern und Mauern, beim Polieren und Installieren. Die Folge: Jedes Haus ist selbst ein Prototyp.

Doch auch wenn Immobilien nicht im Labor erstellt werden und beim Bauen Theorie immer direkt auf mechanische Wirklichkeit trifft: Es gibt dennoch vier wichtige Rahmenbedingungen, um eine möglichst hohe Qualität sicherzustellen. Meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass diese vier Aspekte Grundlage für jedes erfolgreiche Bauen sind.

Erstens: Je klarer die Vorstellung, desto besser die Lösung
Die wichtigste Rahmenbedingung sind die klaren Vorstellungen des Bauerherrn. So muss der Bauherr eine präzise Vorstellung darüber haben, was er will. Er ist der Besteller und muss deshalb die Strategie für sein Bauvorhaben festlegen. Kein Architekt nimmt dem Bauherrn diese Aufgabe ab. Auch ein Wettbewerb mit mehreren Architekten liefert ohne klare strategische Vorgaben keine Lösungsvorschläge, sondern bloss «Ideen». Erst wenn die klaren Vorgaben des Bauherrn in den Planungsprozess eingearbeitet werden, erhält der Bauherr durchdachte Lösungen.

Zweitens: Qualität hat ihren Preis
Vorstellungen und Ziele sind das eine. Die nötigen finanziellen Mittel sind das andere. Beides muss kongruent zueinander passen. Das mag banal klingen, doch das Verständnis, dass es für eine hohe bauliche Qualität auch ein entsprechendes Budget braucht, scheint nicht immer gegeben zu sein. Doch dieses Verständnis muss ein Bauherr haben, und zwar von Anfang an. Wobei ich hier nicht für hohe Kosten plädiere, sondern für sinnvolle Investitionen – Investitionen, die auch langfristig eine attraktive Rendite sicherstellen.

Drittens: Gut Ding will Weile haben
Die dritte Rahmenbedingung, die berücksichtigt werden muss, ist die terminliche Komponente. Qualität auf der Baustelle umzusetzen, benötigt Zeit. Nicht mehr Zeit, sondern so viel Zeit wie nötig. Gewisse Abläufe lassen sich nicht einfach beschleunigen oder vereinfachen. Dafür braucht es Verständnis der Bauherrschaft und eine Terminplanung, bei der die bauliche Qualität im Mittelpunkt steht.

Viertens: Faktor Mensch
Auch wenn der Bauherr seine Qualitätsvorstellungen klar formuliert, über die notwendigen finanziellen Ressourcen verfügt und die nötige Zeit gewährt, muss eine weitere entscheidende Rahmenbedingung für eine erfolgreiche Realisierung berücksichtigt werden: die Auswahl aller am Bau Beteiligter. Diese Auswahl der Planungs- und Baupartner ist eine zentrale Aufgabe des Bauherrn bzw. des Bauherrenvertreters. Mit Blick auf die geplante Qualität muss sie sehr sorgfältig erfolgen. Denn die angestrebte Qualität kann nur mit Partnern erreicht werden, die fähig sind, diese auch umzusetzen.

Fazit: Der richtige Umgang mit Komplexität entscheidet
«So müssen Sie bauen» – das Statement kann man auf absolute Fehlerfreiheit beziehen. Oder man kann eine andere Analogie ziehen, die sowohl für Uhrwerke als auch für Bauwerke gilt: Hier wie dort geht es um den richtigen Umgang mit Komplexität. Dieses intelligente Komplexitätsmanagement zeichnet meine Arbeit heute aus und ist der eigentliche Grund, warum die Grafik des Chronografen noch immer meine eigenen vier Wände ziert.

Der Entstehungsprozess einer Uhr
Interessant ist, dass der Entstehungsprozess einer Uhr sehr viele Gemeinsamkeiten mit der Realisierung eines Bauwerks hat. Auf der Website von «Les Ambassadeur» wird dieser Prozess detailliert beschrieben. Was dabei besonders spannend ist: Der Entwicklungsprozess einer Uhr gliedert sich in fünf Phasen mit insgesamt 13 Etappen – von der Entwicklung über die Fertigungsvorbereitung und Prototypenherstellung bis hin zur Produktion und Finalisierung. Hier wird also sehr sorgfältig geplant und ein Schritt nach dem anderen gemacht – etwas, was auch beim Bauen sehr empfehlenswert ist.

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