Mehr Qualität, bitte!
1. Dezember 2021
von Michael Müller

Warum sind Altbauwohnungen bei Jung und Alt so beliebt? Und weshalb begeistern uns Altstadtquartiere immer wieder? Liegt es am Charme der Altbauwohnungen und der sichtbaren Geschichte der Altstadtquartiere? Vermutlich – und wahrscheinlich an noch viel mehr.
Sicher ist es die Qualität, mit der früher Wohnungen und Städte gebaut wurden, die uns in den Bann zieht. Mir persönlich gefallen daher Altbauliegenschaften eher als Bauwerke jüngeren Datums. Klar, es gibt auch Ausnahmen. Aber tendenziell sind es die Altbauliegenschaften, die uns heute noch faszinieren. Warum ist das so?
Ganz generell wegen des Charmes des Alten. Ich stelle mir manchmal vor, wie es wäre, wenn alte Häuser und Wohnungen Geschichten erzählen könnten: Wer hat die Wohnungen bewohnt? Was waren das für Menschen? Wie haben sie damals gelebt in diesen Häusern? Diese Fragen können nur bedingt beantwortet werden. Dennoch machen diese „Geheimnisse“ einen Teil des Charmes dieser Wohnungen, ja, sogar ganzer Altstadtquartiere aus.
Der Charme einer hohen Qualität
Es ist aber auch die gestalterische und konzeptionelle Qualität der traditionellen Bauten, die begeistert. Und diese ist bei vielen historischen Liegenschaften sehr hoch. Deshalb ist es wichtig, dass der Charme solcher Häuser und Wohnungen nicht durch bauliche Massnahmen zerstört wird. Ein sehr gutes Beispiel für den sorgfältigen Umgang mit bedeutenden Zeitzeugen ist der Kirchenweg im Zürcher Seefeld. Gebaut haben ihn Haefeli Moser Steiger – eines der bedeutendsten Schweizer Architekturbüros und Vertreter der Schweizer Moderne – von 1964 bis 1967. Mehr als 40 Jahre später hat Urs Ledermann die Liegenschaft erworben und damit die Weiterentwicklung erst möglich gemacht. Und Tilla Theus hat das Gebäude von 2014 bis 2016 weitergebaut und ins 21. Jahrhundert überführt. Sie hat mir einmal gesagt, sie habe sich sehr intensiv mit dem Kirchenweg auseinandergesetzt und ihr Ziel sei es gewesen, den Kirchenweg so weiterzubauen, wie es Haefeli Moser Steiger getan hätten. Das nenne ich Respekt vor dem Bestehenden. Das nenne ich aber auch eine Begegnung auf Augenhöhe. Dabei ist der Blick immer auf das Resultat und eben auf eine überzeugende Qualität gerichtet! Tilla Theus ist hier eine Meisterin ihres Fachs und sie überzeugt beim Kirchenweg mit herausragenden Leistungen – was übrigens in einem wunderbaren Buch gewürdigt wird.
Qualität – die Summe vieler Teile
Qualität zeigt sich nicht nur bei der Gestaltung und Konzeption. Der Begriff Qualität geht viel weiter und ist eine Haltung, die jedes Detail prägt. So gefällt mir eine mit Pinsel gemalte Oberfläche besser als eine gespritzte Oberfläche. Der Pinselstrich ist Handwerk und macht dieses auch sichtbar. Gleiches gilt für robuste Parkettböden, wertige Naturstein- oder Terrazzoböden, schöne Treppen und Geländer, filigran profilierte Fenster: Alles wunderbar und genau so sollte gebaut werden! Das sagen zumindest die einen. Und die anderen? Die fragen zuerst nach der Rendite. Doch der Konflikt zwischen Qualität und Rendite ist ein Scheinkonflikt und es gibt hier viele Graustufen.
Mit Häusern einen Qualitätsaufpreis erzielen
So habe ich immer wieder die Erfahrung gemacht, dass Mieter bereit sind, für Qualität eine Prämie zu bezahlen. Über die Höhe der Prämie können endlose Diskussionen geführt werden. Aber sogar ein unabhängiger Bewerter hat bestätigt, dass ein deutlicher Qualitätsaufpreis bezahlt wird. Darum bin ich überzeugt: Qualität schafft Mehrwert – sowohl monetär als auch ideell.
Ein schönes, gepflegtes Haus ist eine gefragte Adresse. Mieter sind stolz, an so einer Adresse zu wohnen. Zudem sind Mieter in einer schönen, wertigen und gut konzipierten Wohnung zufriedener. Sie tragen ihrem Zuhause mehr Sorge und wohnen länger in ihrem Domizil. Sie wechseln weniger, weil sie nichts Vergleichbares finden, oder sie kehren zurück, weil andere Wohnungen ihre Ansprüche nicht erfüllen. Alle diese Reaktionen habe ich im Laufe der Jahre in Zürich direkt erlebt. Meine Erkenntnis ist daher: Qualität lohnt sich – heute wie morgen.